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«Verdrängen, Verdrängen, Verdrängen»

17.11.2021

Übersetzung der Songtexte und Texte des Musiktheaters «Verdrängen, Verdrängen, Verdrängen» von der finnischen Performance-Gruppe Oblivia.

MITTEN IN DER NACHT

Am Rande des grossen Waldes
In dem kleinen Haus
Mit den perfekt gedämpften
Lichtern
In dem kleinen Haus, in dem ich
Mein gemütliches kleines
Leben führe
Eingekuschelt in die Bettdecke
der guten Träume

höre ich

Mitten in der Nacht
Mitten in meinem Leben
Da tobt ein Sturm
Es wütet ein Sturm

Mitten in der Nacht
Mitten in meinem Leben
Wütet ein Sturm
Es wütet ein Sturm

Ich renne die Treppe hoch
Auf den Dachboden, wo
Bertha lebte
Ich höre das Dach schreien
(schreien)
All die Nägel und das Wellblech
quietschen (quietschen)

Mitten in der Nacht
Mitten in meinem Leben
Da tobt ein Sturm
Es wütet ein Sturm
Mitten in der Nacht
Mitten in meinem Leben
Wütet ein Sturm
Es wütet ein Sturm

Ich renne hinunter in den Keller
Wo die Geister wohnen
Und ich sehe, wie das Wasser steigt
Und die Ratten, die zur Hölle
schwimmen

Ich wusste nicht mal, dass wir
Ratten haben, du etwa, Liebling?

Mitten in der Nacht
Mitten in meinem Leben
Wütet ein Sturm
Es wütet ein Sturm

Mitten in der Nacht
Mitten in meinem Leben
Wütet ein Sturm
Es wütet ein Sturm

Ich laufe zurück in mein
Wohnzimmer
In mein kleines, gemütliches
Wohnzimmer
Wo die Rosen schwarz werden
Und das Sofa aufklafft

Mitten in der Nacht
Mitten in meinem Leben
Wütet ein Sturm
Es wütet ein Sturm

Mitten in der Nacht
Mitten in meinem Leben
Wütet ein Sturm
Es wütet ein Sturm

Dies ist euer aller Rache
Die lebenden Toten, die toten
Lebenden und die immer noch
lebendigen Toten
Wusstest du nicht, dass Rache so
passé ist? Das passiert nicht wirklich, es ist
nur ein kleiner Kommentar, ein
Pastiche

Mitten in der Nacht
Mitten in meinem Leben
Wütet ein Sturm
Es wütet ein Sturm
Es wütet ein Sturm
Es wütet ein Sturm

DER LIPIZZANER

Sonntags gingen wir immer zu den Lipizzanern in die Spanische Hof­reitschule, meine Mutter, mein Va­ter, mein kleiner Bruder und ich. Wir sassen ziemlich weit oben in den Boxen. Das Sonnenlicht fiel durch die grossen Fenster und wir schau­ ten auf die Lipizzaner hinunter, die unter dem grossen Kronleuchter ihre Pirouetten, Passagen und all ihre anderen Kunststücke machten. Der Geruch von Pferdemist und Sä­gemehl stieg uns in die Nase. Män­ner in langen Mänteln sammelten den Pferdemist mit kleinen Schau­feln auf.

An einem Sonntag nach meinem Geburtstag war ich mit meinem weissen hölzernen Spielzeugpferd auf vier Rädern im Schlepptau un­terwegs. Als wir zum Eingang der Reitschule kamen, sagte der Wäch­ter: «Halt! Halt! Stopp! Pferde dürfen nicht in die Boxen. Ich hob mein Spielzeugpferd auf und hielt es fest. Der Wachmann zwinkerte mir zu. Ich sah meine Eltern an und wollte etwas sagen. Mein Vater drehte sich zu mir um: «Du Narr, du Idiot, du Trottel, du Schwachkopf.» Dann drehte sich meine Mutter zu mir um: «Verstehst du keinen Spass, du Trot­tel, du Idiot, du Schwachkopf?!», dann stürmten sie in die Reitschule. Ich folgte ihnen und drückte mein Pferd fest an meine Brust.

DER MAGIER

Okay, Leute, ich schlage vor, wir machen etwas zusammen.
Aber ich brauche eure volle Unter­stützung und volle Konzentration. Ohne das geht es einfach nicht.
Gut so!

Mal sehen, was ihr davon haltet.

Ja! Genau, das ist es. Sehr gut! Jetzt wissen wir es. Was den Rest von euch betrifft, keine Sorge, ich zeige es noch einmal.

Es sieht vielleicht anders aus, aber es ist dasselbe.

Nein? Ist da jemand?
Okay, ich sage euch nur so viel: Think… Connection.
Gut!

Versuchen wir es noch einmal.

Jemand auf dieser Seite ist un­konzentriert. Bei manchen dauert es länger, während andere es sofort verstehen, aber am Schluss haben es alle verstanden. Ja, da drüben!
Du hast es geschafft! Sehr gut!
Jetzt wisst ihr es. Jetzt wissen wir es.

Nein, nein, lassen Sie uns nicht an diesen Punkt kommen!
Werden wir nicht frustriert.
Okay, ich werde jetzt unser kleines Geheimnis lüften.
Kannst du es sehen?
Es muss geöffnet bleiben.
Gut so!

Noch einmal.

PHYSISCHE KÖRPER

Physische Körper, die durch das Universum fliegen.

Physische Körper, die im Raum schweben.

Was du siehst, ist nicht das, was du siehst.

Du denkst, ich sei ein Mensch, aber ich bin etwas anderes.

Du denkst, ich sehe aus wie du, aber ich bin nicht wie du.

Du denkst, ich sei wie du, aber ich bin es nicht.

Physische Körper, die durch das Universum fliegen.

GEISTER-ANWALT

Wenn sie doch nur reden könnten.

Wenn wir doch nur zuhören würden.

Ich habe eine dieser schönen Krea­turen getroffen

in einer Stadt südlich von hier.

Die Wahrheit ist:

Sie haben keinen Platz,

keinen Platz zum Sein.

Der Platz,

den sie so verzweifelt brauchen,

wird eingenommen

von lebendem, atmendem Fleisch

wie unserem.

«Geist braucht Raum!»

Das würden sie schreien,

wenn sie eine Demonstration auf der Hauptstrasse unserer Stadt abhalten würden.

«Der Geist braucht Raum!»

Ich erkläre hiermit diese Stadt

zu einer Stadt der Geister.

Lasst uns unsere Häuser leeren.
Lasst uns unsere Strassen leeren.

Alle raus!

Lasst uns diese Stadt

zu einer Geisterstadt

mit Geisterautos,

Geisterschulen

und Geistersupermärkten machen.

Alle raus!

Lasst uns dieses Land

ein Geisterland

mit Geisterbahnen,

Geister­-Einkaufszentren

und Geisterschiffen machen.

Alle raus!

Alle raus!

Alle Mann raus!

ZUHAUSE

Zuhause, es gibt keinen besseren Ort als Zuhause
Dieses grosse fette Haus, in dem du wohnst
Du kannst es Zuhause nennen

Weg, wenn du zu weit gegangen bist
Musst du dorthin zurückkehren, woher du kommst
Es gibt keinen anderen Ort wie das Zuhause

Wenn du weisst, was in deinem Keller ist
Weisst du, was in deinem Herzen ist
Wenn du weisst, wie du dorthin kommst
Wirst du wissen, wo du anfangen musst

Fühl dich frei
Aber nicht zu sehr
Vergiss nie, woher du kommst
Und was in deiner Vergangenheit liegt

Du kannst niemals
Einfach jemand sein
Ohne dich zu erinnern

Du kannst niemals
Einfach jemanden treffen
Ohne ihm etwas zu erzählen

Über dein
Zuhause, es gibt keinen anderen Ort wie das Zuhause
Dieses alte dreckige Haus
In dem du wohnst
Du kannst es Zuhause nennen

Dieses beschissene Haus
In dem du wohnst

Dieses beschissene Haus
In dem du lebst

In diesem hässlichen Haus
In dem du lebst

In diesem stinkenden Haus
In dem du lebst

Nenne. Es. Einfach. Zuhause.

DER HASE

Es war spät in der Nacht. Wir waren mit dem Auto unterwegs. Mein Vater sass am Steuer. Draussen war es ganz dunkel. Es war Vollmond. Mei­ne Mutter zündete sich eine Zigaret­te an. Ich habe mich auf dem Rück­sitz hingelegt und die Sterne gezählt. Bis ich eingeschlafen war. Ich war bestimmt eingeschlafen, da ich aufgewacht bin, als das Auto anhielt. Zack.

«Was war das?», habe ich meinem Vater gefragt. – «Oh, nichts, nichts, überhaupt nichts», antwortete er.

Ich fragte meine Mutter: «Was war das denn?» – «Ohh nichts, nichts, überhaupt nichts», antwortete sie. – «Aber da war doch irgendwas?», habe ich gesagt. Dann sind wir wei­tergefahren. Aber bestimmt war da was. Bestimmt war das ein Hase. Ich habe bestimmt einen Hasen gese­hen. Einen braunen Hasen. Ganz braun. Braun … braun … braun… grau …brau­grau…

Annika, bist du fertig?
Aber ja doch.

DIE ONKEL

Die Treppe runter, in den Keller
Mach die Tür zu, hab keine Angst
Da wohnt er, der komische Kerl
Hässliche Frisur, aber keinen Bart

Onkel Danny auf dem Dachboden
Tante Doris im Kleiderschrank
Boris, Ben und Cousin Bob
Eingesperrt in der kleinen Toilette

Der grosse böse Wolf im Wald
Der weise alte Elch am See
Hase, Maus und Baby­-Bär
In der Küche und essen Regen­bogenkuchen
Jetzt brennt das Haus nieder
Alle Menschen fliehen weg
Du und ich, wir gehen in die Stadt
Wir suchen einen Pizza Take­-away

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