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Wieso sind Frauen (nicht) wütend – miss­verstandener Feminismus

25.01.2021 — von Stephanie van Batum

Lange Zeit habe ich Feminismus missverstanden. Ich lehnte die Bezeichnung ab, weil ich Negatives damit assoziierte. Wenn immer ich das Wort «Feminismus» hörte, stellte ich mir eine humorlose Frau vor, die wütend ist, vor allem auf Männer. Eine Frau*, die ihre Achselhaare zur Schau stellt und BHs verbrennt. Ein von Vorurteilen behafteter Stereotyp Frau*, der schwer aus den Köpfen unserer Gesellschaft zu kriegen ist. Persönlich fühlte ich mich oft auch aus dem «Club der Feminist*innen» ausgeschlossen – weil ich mich gut mit Männern verstand, Rap Musik mochte und gerne Make-up und Stöckelschuhe trug. Es fühlte sich so an, als ob mich andere Feministinnen dafür verurteilten, und mir das Gefühl gaben, keine richtige Feministin zu sein.
Nachdem ich für meine Performance «Don’t Worry Be Yoncé» viele Gespräche geführt und zum Thema Feminismus recherchiert habe, entschied ich mich, Feminismus für mich nochmals neu zu definieren.
«Don’t Worry Be Yoncé» ist inspiriert von der Sängerin und Pop-Ikone Beyoncé Knowles, die als Diva, Queen, Sexbombe, Geschäftsfrau, Mutter, Ehefrau und Feministin wahrgenommen und verkörpert den Hashtag #FLAWLESS. Wenn Beyoncé also alles hat, was es braucht, dann ist die logische Konsequenz daraus die (ironische) Schritt-für-Schritt-Anleitung: Wie werden wir zu Beyoncés?
Während meiner Recherche, gewann ich viele neue Erkenntnisse zum Thema Feminismus. Als ich erstmals den Entschluss fasste, ein feministisches Stück zu schreiben, dachte ich es würde etwas düster und negativ. Und ginge schliesslich nur darum, wie hart das Frauensein ist und wie man als Frau*‹ den gesellschaftlichen Erwartungen nie gerecht würde – vor allem mit Vorbildern wie Beyoncé. Aber das Gegenteil geschah! Das Stück wurde zu einer positiven Botschaft und ermutigte das Zelebrieren von Weiblichkeit und Frausein. Ich habe im Prozess gelernt, dass für sich selbst einzustehen und andere Frauen zu unterstützen wichtig ist. Und habe verstanden, dass sexy und Feministin sein sich nicht ausschliessen, und dass Make-up und Stöckelschuhe die eigenen politischen Ansichten nicht schmälern.
«We should all be feminists» hat Chimamanda Ngozi Adichie geschrieben. «Feminismus ist die soziale, politische und ökonomische Gleichstellung der Geschlechter». Mit dieser neuen Definition von Feminismus erlangte ich eine neue Perspektive und begann mich selbst und den Feminismus anders wahrzunehmen. Und auch wenn Männer und Frauen gesetzlich gleichgestellt sind, ist der Weg zur Gleichberechtigung und der Kampf der Frauen* noch ein langer.

Mit Frauen* sind in diesem Text auch Trans- und nonbinäre Frauen gemeint.

Das Stück «Don't Worry Be Yoncé» von und mit Stephanie van Batum ist am 24. März 2021 am Theater Chur zu sehen sein.

Der Originaltext ist in der zweiten Ausgabe des Theater Chur Magazins Prospect zu lesen. Die hier publizierte Übersetzung des englischen Originaltexts stammt von der Theater Chur Magazin Redaktion.

Stephanie van Batum, geb. 1988 in Leeuwarden (NL), studierte Theaterwissenschaften an der Universität Amsterdam sowie Regie an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Bereits während ihres Studiums erarbeitete sie verschiedene Inszenierungen und Performances. So auch die Lecture-Performance «Dont’ Worry Be Yoncé» (2017), die sie gemeinsam mit der Schauspielerin Stacyian Jackson, geb. 1989 in Rotterdam (NL), entwickelt hat.